16.01.2012

Neckarsteig auf der CMT präsentiert

von links nach rechts: Erik Neumeyer (Deutscher Wanderverband), Timo Bracht (Triathlonsportler), Bernhard Martin (Bürgermeister in Eberbach), Dr. Achim Brötel (Landrat im Neckar-Odenwald-Kreis); Foto: M. Hahl

Im Jahr 2008 begannen die ersten Gespräche zum "Neckarsteig", als Ideengeber Timo Bracht seine Vision eines zertifizierten Wanderweges zwischen Heidelberg und Bad Wimpfen dem Eberbacher Bürgermeister Bernhard Martin vorstellte. Gemeinsam mit dem Naturpark Neckartal-Odenwald und der Touristikgemeinschaft Odenwald samt Landrat Dr. Achim Brötel wurde eine Strategie entwickelt, um das Projekt umzusetzen.

Im April 2009 legte das geographische Projektbüro proreg eine umfassende wandertouristische Studie im Auftrag der TGO vor, in der zusammen mt Timo auch ein erstes Overlay zum Streckenverlauf entwickelt und auf 80 Seiten weitere Potenziale eines zertifizierten Wanderwegs ausgearbeitet wurden. Bald darauf konnte man eine Interessengemeinschaft Neckarsteig mit denjenigen Kommunen gründen, die sich am projektierten Qualitätsweg beteiligen wollten. Mit der Detailplanung und Markierung einer unter Gütekriterien des Wanderverbandes zertifizierbaren Route wurde der Odenwaldklub gegen Honorar beauftragt; die Ortsgruppen des Wandervereins arbeiteten engagiert mit. Die Projektsteuerung übernahmen Achim Dörr und Manfred Robens, die Geschäftsführer der TGO und des Naturparks Neckartal-Odenwald.

Heute nahmen Timo Bracht, Bürgermeister Bernhard Martin und Landrat Dr. Achim Brötel auf der SWR-Showbühne der Stuttgarter Touristikmesse CMT das Zertifikat vom stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Wanderverbandes, dem Geographen Erik Neumeyer entgegen. Damit ist der 126 Kilometer lange Neckarsteig zwischen Bad Wimpfen und Heidelberg nun als "Qualitätsweg Wanderbares Deutschland" ausgezeichnet.

Das Marketing-Faltblatt, zu dem Michael Hahl vom Waldbrunner Projektbüro proreg Texte und inhaltliches Konzept erarbeitete, konnte ebenfalls auf der CMT präsentiert werden, und auch die Website www.neckarsteig.de/ ist mit einem erweiterten textlichen und stets aktuellen, informativen Angebot seit wenigen Tagen online. Fotos für die Web- und Printpräsenz des neuen wandertouristischen Produkts wurden überwiegend vom Eberbacher Naturfotografen Andreas Held aufgenommen.

Der Neckarsteig zeichnet sich durch seine Fülle an naturräumlichen und kulturgeschichtlichen Attraktionen aus. Etliche mittelalterliche Burgen und atmosphärische Altstädte säumen den Pfad, aber auch auf Umlaufberge und weitere Relikte der Flussgeschichte, auf Schluchten und Felsformationen sowie Naturschutzgebiete, Streuobstwiesen und alte Kulturlandschaften trifft der Wanderer am neuen Qualitätswanderweg. Dazu gibt es immer wieder atemberaubende Fernblicke über das eindrucksvolle Flusstal, über die steilen Hänge des Buntsandstein-Odenwaldes bis hin zum Neckarland mit seinen hügeligen Muschelkalkflächen.

Man kann den Neckarsteig in mehreren Etappen gehen oder auch abschnittweise für eine besondere Tageswanderung nutzen. Übernachtungen sind vielerorts möglich und durch den Anschluss an den S-Bahn-Takt ist man auch ohne PKW weitgehend unabhängig. Informationen sowie das neue Neckarsteig-Faltblatt bekommt man bei der Touristikgemeinschaft Odenwald in Mosbach. - Mit der heutigen CMT-Eröffnung des Neckarsteigs ist der Weg zum Qualitätsprodukt noch lange nicht zu Ende gegangen: Der Aufbau einer herausragenden wandertouristischen Marke soll auch im Jahr 2012 weiter gehen.

Diesen Beitrag finden Sie auch im Weblog "wanderfokus" direkt auf der Website www.proreg.de 

09.01.2012

Hugenotten- und Waldenserpfad auch im Odenwald











Wandern auf den Spuren der Glaubensflüchtlinge – das geht nun auch im südlichen Odenwald. Im Spätjahr 2011 wurde ein zwischen Schönau und Sinsheim verlaufender Teilabschnitt des "Hugenotten- und Waldenserpfades" eröffnet. Damit durchquert dieser europäische Kulturfernwanderweg jetzt die historische Kurpfalz, ehe er über Hirschhorn auf südhessischem Boden weiter bis Michelstadt und Oberramstadt nach Norden führt. Für den Hugenotten- und Waldenserpfad werden in Deutschland, in der Schweiz, in Frankreich und in Italien ausgewählte Teilstrecken markiert, um sie nach und nach zu einem Gesamtweg zusammen zu bringen.

Die Migration der hugenottischen und waldensischen Glaubensflüchtlinge vor rund 300 Jahren wurde zu einem nicht unwesentlichen Bestandteil der südwestdeutschen Kulturgeschichte und führte nicht zuletzt im Odenwald und im Kraichgau zu einem transkulturellen Austausch innovativer Ideen und Techniken. Integration ist auch aus regionalgeschichtlicher Perspektive eine gesellschaftliche Herausforderung. Am Beispiel der Hugenotten und Waldenser zeigt sich im Rückblick, wie die Früchte dieser Aufgabe unser Kulturerbe bereicherten. Dieses Bewusstsein gilt es zu bewahren. Und da es um "Wanderbewegungen" geht und damit sozusagen um linear angeordnete Geschichtszeugnisse, liegt es natürlich nahe, die Fluchtwege selbst, also die historischen Migrationsrouten der Glaubensflüchtlinge zu thematisieren, begehbar und erlebbar zu machen. Dies ist Sinn und Zweck des länderübergreifenden Hugenotten- und Waldenserpfades.

Doch was hat es mit den Hugenotten und Waldensern auf sich und wie kam es, dass die Glaubensmigranten auf ihren Fluchtwegen auch in den Odenwald und in den Krauchgau vordrangen? Eine kleine Zeitreise führt zurück in die Kurpfalz um 1700 ... – Die Neuzeit Europas ist eine von konfessionellen Konflikten geprägte Geschichte. Im Wechselspiel landesherrschaftlicher Mächte provozierte die Vertreibung anders denkender Minderheiten Migration, also Aus- und Einwanderungen, und rief damit nicht zuletzt eine kulturelle Durchmischung hervor.

Ab 1685 erreichten die Verfolgungen unter Ludwig XIV. einen Höhepunkt. Glaubensflüchtlinge zerstreuten sich in alle Winde. Allein an die 30.000 Hugenotten, wie man die französischen Protestanten nannte, flüchteten in Deutschlands Süden, unter ihnen auch Waldenser aus dem Pragelatal. 1698 wurden nochmals 3000 Waldenser unter französischem Druck aus dem Piemont vertrieben und wanderten ihrerseits nach Südwestdeutschland. Manch ein protestantischer deutscher Landesfürst ermöglichte ihnen einen Neubeginn. So entstanden ab 1699 Waldensersiedlungen beispielsweise im Herzogtum Württemberg oder bei Karlsruhe, in der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und anderen südhessischen Territorien. Den Kraichgau und den Odenwald erreichten die Migranten ebenfalls. In der Kurpfalz wurden Langenzell und der Biddersbacher Hof bei Lobbach im Kleinen Odenwald ab 1687 von Waldensern aus dem Pragelatal und Hugenotten aus dem Queyras besiedelt, und auch in Meckesheim hielten sich Glaubensflüchtlinge auf. Doch es war unsicheres Terrain. Zweimal mussten die Siedler wieder vor den einrückenden Franzosen fliehen.

Auch in der Kurpfalz wehte bald der Geist Ludwigs XIV. Bereits 1685 war der katholische Kurfürst Philipp Wilhelm an die Macht gekommen und löste die protestantische Kurpfalzdynastie ab. Sein 1690 nachfolgender Sohn, Kurfürst Johann Wilhelm, etablierte eine unnachgiebige Konfessionspolitik, angetrieben von absolutistischem Herrschaftsideal und streng katholischer Überzeugung. Nach und nach schaffte er Sanktionen gegen andersgläubige Untertanen, verstärkt ab 1697; eine Art „Gegenreformation“ begann.

Als einige der 1688 vor den Franzosen geflohenen Waldenser und Hugenotten ab 1690 in den Raum Langenzell zurückkehrten, wurden sie vom Kurfürsten zunächst noch toleriert. Als sie 1698, fünf Jahre nach ihrer 1693 vorgenommenen zweiten Flucht, erneut wiederkommen wollten, versagte ihnen Johann Wilhelm den Neubeginn. Im Territorium des katholischen Hardliners war jetzt kein Platz mehr für Waldenser und Hugenotten. Erst 1705 musste Kurfürst Johann Wilhelm unter dem Druck protestantischer Mächte mit der "Religionsdeklaration" die Duldung von Reformierten und Lutheranern beschließen, wenngleich dies mit wirtschaftlichen Vorteilen der Katholiken verbunden blieb.

Übrigens… Wenn Sie bald mal wieder Kartoffeln essen, denken Sie daran: Diese einst exotische Ackerfrucht wurde in Südwestdeutschland erst von waldensischen Migranten eingeführt, ebenso wie die Luzerne und der Tabakanbau in der Rheinebene!


Den Webauftritt des europäischen Fernwanderweges finden Sie hier. Darin gibt es auch einen Beitrag des Weblog-Autouren zu den historischen Routen im Bereich des Übergangs vom nördlichen Kraichgau zum Odenwald: HAHL 2010, Fluchtwege der Toleranz